Einstiegsrant: Die Netzgemeinde, die Mobilisierung von Protest und warum alle Anderen am Ende scheisse sind – Zuerst erschienen als Kommentar auf wir.muessenreden.de

Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich Diskurse über Protestbewegungen “aus dem Netz” verfolge. Es scheint ein Dilemma zu herrschen, dass man sich einerseits bewusst ist und man auch beobachten konnte, dass Personalisierung und Zuspitzung nötig sind, um Massen zu mobilisieren. Gleichzeitig empfindet man es als zutiefst moralisch verwerflich, jemanden durch Zuspitzung auf die Straße zu bringen. Bei Acta würde aus “falschen Gründen” demonstriert (btw wer legitimiert die Gründe?). Das Problem: dieses Dilemma spielt IMMER den Lobbyisten in die Hände. Es wird kein Chlorhühnchen-Jetzt-Abkommen geben, aber die Gefahr ist den Klauseln inhärent, sie verdeutlicht die Gefahr. Wird aber damit zugespitzt, muss nichtmal die Lobby Einwände erheben, dann zerfleischt man sich in Tweets schon gegenseitig wegen unlauterer Methoden. Daneben stehen bleibt die Verschleierungstaktik der Lobbyisten als lauteres Verhalten stehen.
Historische Betrachtung: ACTA, das Netz empört sich, nimmt den Vertrag bis ins Detail auseinander, beklagt die Ungerechtigkeit von Acta, mangelnder Berichte der Medien, Indifferenz des Plebs. Dann kommt Brunos Video, ein Aufschrei geht durch Medien und YouTube, Menschen sehen eine Gefahr, für Deutschland unglaubliche Massen gehen auf die Straße. Derweil beschwert sich Twitter, die Leute seien aus unlauteren Gründen aktiv geworden und hätten nichtmal den ganzen Vertragstext gelesen.
Snowden enthüllt die Totalüberwachung. Die Medien berichten über abstrakte Gefahren, die CDU beendet Dinge, Twitter beschwert sich, dass die Medien nicht richtig berichten und der Plebs dumm wie immer ist. Dann der Skandal, das Merkelphone. Die Medien können endlich zuspitzen und personalisieren, die Leute sehen dass es wirklich passiert, was für Auswirkungen es hat wenn man das theoretische ins praktische denkt, ein Empörungsruck geht durch Deutschland. Derweil beschwert sich Twitter, das sei jetzt aber unlauter, dass die Kanzlerin abgehört wird ist doch normal, da regen sich die dummen Leute voll über das falsche auf, mit dem Ausgangspunkt darf man diese Argumentation nicht initiieren. Und ohne einen Pofalla oder einen Ex-Botschafter schafft es das Netz, sich den eigenen Diskurs kaputt zu reden. Es gibt kein richtiges im Falschen – und wenn man auf das diffuse Getwitter hört ist jeder Diskurs schlecht, denn es gibt immer etwas wo man sich dran abarbeiten kann.
Jetzt können wir eine Gesellschaft allgemeingebildeter, intellektueller und reflektierter machen, sodass jeder ACTA liest und gleich versteht, dass das böse ist. Gerne dabei, besser heute als morgen. Bis dahin muss man aber vielleicht einsehen, dass es manchmal Vereinfachung braucht, um Dingen einen Anstoß zu geben und Bedrohungen verständlich zu machen. So lange man sich einigen kann, dass TTIP böse ist, finde ich das durchaus legitim – andere Gruppen tun dies um ganz andere Ziele durchzusetzen. Wer dem Großteil der Bevölkerung aber ständig nur sagt, dass er dumm ist, sich aus falschen Gründen über richtige Dinge aufregt, sich in seiner Freizeit nicht richtig und intensiv genug mit allen Fakten auseinandergesetzt hat, sollte sich nicht wundern wenn sich die Leute irgendwann abwenden und den Mittelfinger erheben.

Hinterlasse einen Kommentar